Die Geburt unserer Tochter Julia verlief zwar wie geplant, ich hatte aber trotzdem das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmte. In der zweiten Nacht wurde sie immer apathischer, die Kinderärztin, die am nächsten Morgen zur Kontrolle zu uns kam, rief dann die Sanität; Julia wurde mit Verdacht auf einen schweren Herzfehler ins Spital gefahren. Weil alles sehr schnell gehen musste, durfte ich nicht mitfahren. Man versicherte mir jedoch, dass man mich auf dem Laufenden halten würde.
Kurz danach erhielt ich einen Anruf: Julia sei bereits mit der Rega unterwegs in ein grösseres Spital, das auf die Behandlung herzkranker Kinder spezialisiert sei. Ich war in einem Schock-Zustand, alles ging so schnell. Mein Mann und ich fuhren natürlich sofort zu unserer Tochter auf die Intensivstation.
Wir wurden herzlich empfangen und haben uns von Anfang an gut aufgehoben gefühlt. Uns wurde alles erklärt, auch, dass Julia gleich operiert werden müsste. Nachdem uns das Behandlungsteam alles erläutert und gezeigt hatte, wurde uns empfohlen, nach Hause zu fahren. Am späteren Abend wurde uns mitgeteilt, dass Julia die Operation gut überstanden hatte.
Am nächsten Morgen fuhren wir gleich wieder zu ihr. Die Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachpersonen nahmen sich auch dieses Mal wieder die Zeit, uns alle Informationen zum aktuellen Gesundheitszustand unserer Tochter zu geben. Nach zwei Wochen auf der Intensivstation wurde Julia dann auf die neonatologische Abteilung verlegt, bevor sie vor einem weiteren Eingriff für zwei Monate nach Hause durfte.
Die erhoffte Wirkung dieser zweiten Operation blieb jedoch leider aus und auch ein dritter Eingriff konnte Julias Herzfunktion nicht wesentlich verbessern. Unsere Tochter kam deshalb auf die Warteliste für eine Herztransplantation.
Julias Gesundheitszustand hat sich dann auf der Intensivstation plötzlich stark verschlechtert, ihr Herz musste maschinell unterstützt werden. Durch eine eingewachsene Kanüle erlitt sie zudem eine gefährliche Blutvergiftung, von der sie sich jedoch wieder erholen konnte. Die Unterstützung des Herzens musste jedoch immer weiter erhöht werden, bis ihr Herz ganz durch eine Maschine ersetzt wurde.
Während dieser ganzen nervenaufreibenden Zeit konnte ich eigentlich immer einigermassen gut schlafen, weil ich wusste, dass unsere Tochter in den besten Händen ist. Selbst als ich manchmal nachts wach lag, durfte ich immer auf der Intensivstation anrufen und nachfragen, wie es ihr geht. Das hat mir immer geholfen.
Kurz vor Weihnachten, also nach elf Monaten auf der Intensivstation, erhielt Julia dann ihr dringend benötigtes Spenderherz. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sie vier Monate nicht in meinen Armen gehalten, obwohl die Intensivpflegefachpersonen alles unternahmen, damit sie die Nähe zu uns spüren konnte. Teilweise kamen die Pflegefachpersonen sogar in ihrer Freizeit auf die Kinderintensivstation, um uns zu ermöglichen, Julia in den Arm zu nehmen oder mit ihr nach draussen zu gehen. Logistisch waren das immer sehr anspruchsvolle Vorhaben.
Die Herztransplantation schien erfolgreich verlaufen zu sein, bis es ihr 24 Stunden danach wieder sehr schlecht ging – eine Infektion hatte Julias neues Herz befallen, weshalb sie erneut operiert werden musste. Anschliessend schien sich ihr Gesundheitszustand zu verbessern, bis etwa zwei Wochen nach der Operation aus unerklärlichen Gründen ihre Nieren anfingen, zu versagen. Die Ärztinnen und Ärzte mussten uns dann mitteilen, dass ihre Behandlungsmöglichkeiten nun ausgeschöpft seien und sie unserer Tochter nicht mehr helfen konnten. Julia war auf sich allein gestellt.
Mein Mann und ich waren aber immer davon überzeugt, dass unsere Tochter auch diesen weiteren Tiefpunkt überstehen würde. Sie hat sich dann tatsächlich langsam erholt und ihre Nieren haben ihre Funktion wieder aufgenommen. Nach ein paar Wochen konnte Julia wieder ohne Beatmungsgerät atmen. Bis heute ist das für uns und auch das Behandlungsteam ein unerklärliches Wunder.
Nach insgesamt fünfzehn Monaten auf der Intensivstation wurde Julia auf die Bettenstation verlegt. Einen weiteren Monat später durften wir mit ihr nach Hause fahren.
Julia wird ihr ganzes Leben lang regelmässig Medikamente nehmen und ärztlich betreut werden müssen. Man sieht es ihr aber heute nicht an, was sie in ihrem jungen Alter bereits alles durchgemacht hat: Sie ist ein ganz normales junges Mädchen, das bald schon in den Kindergarten kommt – dafür sind wir unendlich dankbar!